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Video Games Killed the Radio Star

Just Cause 3 bietet ein Feuerwerk fünfminütiger Spaß-Explosionen und jede Menge Probleme

Das letzte große Open-World-Adventure des Jahres 2015 wartet zwar mit einer unglaublich langweiligen Geschichte auf, aber wenn das Spiel dich erstmal gepackt hat, lässt es dich nicht mehr los.

Ich twitter beim Spielen. Das machen wir alle. Ein Freund antwortet: „Als ich die Werbung für das Spiel an einem Bus gesehen habe, dachte ich: Das kann nur eine Actionfilm-Verarsche sein." Wenn es das doch nur gewesen wäre. Dann könnte ich Just Cause 3 mit einem Lächeln abtun, und die Sache wäre in kaum zwei Stunden abgetan. Aber hier handelt es sich um ein weiteres, massives Open-World-Adventure, einen monströsen Zeitfresser, eine virtuelle Spielothek der Möglichkeiten. Zwei Stunden und dein Spielfortschritt liegt gerade mal bei etwa fünf Prozent.

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Ob oder wie viel Spaß dir das Ganze machen wird, entscheidet sich je nach dem, wie dir gefällt, was du in den ersten zwei Stunden zu sehen bekommst. Denn dann hast du schon so ziemlich alles gesehen, was das Spiel zu bieten hat. Du bist Rico Rodriguez, ein Adrenalinjunkie, Freiheitskämpfer und „Diktatorenbeseitigungsfachmann", der in seine fiktive, mediterrane Heimat Medici zurückkehrt, um die Insel vom gnadenlosen General Sebastiano Di Ravello zu befreien. Als Rico mit schussbereiten Raketenwerfern in den Luftraum von Medici eindringt, beginnt er von den Tragflächen seines Flugzeuges aus mit der Zerstörung der Luftabwehrbatterien, die seine Position unter Beschuss genommen haben. Als es schließlich zum unvermeidbaren Abschuss kommt, gleitet Rico am Fallschirm elegant zu Boden, um sofort mitten in einem Schusswechsel zu landen. Hier treffen wir auch seinen Kumpel Mario, der Rico sofort in die Eier boxt, was unter Männerfreunden offenbar üblich ist.

Sekunden später steht Rico mit einem MG auf dem Dach eines Jeeps und wehrt die Besatzungstruppen ab, die ihm auf die Pelle rücken. Als Nächstes sitzt er in einem Panzer und massakriert alle um ihn herum mit der brutalen Effizienz eines Mannes, der siedend heißes Wasser auf Ameisennester gießt. Einen kurzen Helikopterflug und diverse Gewaltexzesse später bahnt er sich seinen blutgetränkten Weg zu einem Treffen mit einem verbündeten Wissenschaftler, der ein paar neue Ausrüstungsgegenstände bereithält―einen Wingsuit und eine Hakenpistole. Kombiniert man beide Teile und setzt sie in Verbindung mit dem Gleitfallschirm ein, ermöglichen sie Rico zu „fliegen". Die Greifhaken eignen sich auch hervorragend, um Sprengstoffbehälter an feindlichen, gepanzerten Fahrzeugen zu befestigen, indem alle miteinander verbunden werden. Sobald die ersten Funken sprühen, besteht Hoffnung auf eine Kettenreaktion, die zu noch gigantischeren Explosionen führt.

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Klingt spannend, oder? Auf den ersten Blick verspricht Just Cause 3 eine ziemlich ansehnliche Sandbox voller Chaos und Verwüstung: Rico zerstört im Alleingang komplette Militärbasen, verjagt heldenhaft alle Unterdrücker aus seiner Heimat oder bringt sie einfach um. Was immer gerade am einfachsten ist. Doch schon in der Eröffnungssequenz macht das Spiel Probleme.

Die Handhabung der Straßenfahrzeuge lässt kaum mehr als zwei Optionen zu: Entweder reagieren sie so lahm, dass ein Fußmarsch die bessere Alternative zu sein scheint, oder die Steuerung ist derart überempfindlich, dass du von einer Seite zur anderen schlingerst, als würdest du betrunken Autoscooter fahren. Die Schießereien wirken trotz des höllischen Lärms und der dynamischen Farben eher fad. Und Rico fehlt es an Persönlichkeit. Er wirkt zwar lustig, wenn er Geschosse beschimpft, auf denen er gerade herumfliegt, aber insgesamt ist er nicht mehr als ein Instrument, das dem Spieler dazu dient, die eigene Zerstörungslust auszuleben. Die Story ist von Anfang an tot―den neun im Vorspann genannten Autoren ist es nicht gelungen, einen fesselnden Hauptplot zu entwickeln. Blablabla, blablabla, ein seltenes Mineral, blablabla, stopp, der Bösewicht tut Böses, blablabla, bring diese Person wieder an die Macht und so weiter und so weiter ooh, aber hast du die Explosion gesehen?

Denn die Explosionen in diesem Game sind großartig―und Avalanches Art Department beeindruckt nicht nur, wenn etwas verwüstet wird. Mit seinen unzähligen Inseln verfügt Medici über eine Game World, die wesentlich größer ist als in jeder anderen Sandbox-Neuerscheinung von 2015. Die Landkarte umfasst hier über 1.000 km². Fallout 4 dagegen bietet nur etwa 77 km². Ich empfehle, den Sturz Di Ravellos kurz aufzuschieben, dir einen Helikopter zu schnappen (oder, falls du es eilig hast, einen Rebellen-Jet), und dich ein bisschen umzusehen. Flieg zum höchsten Gipfel der Spielwelt―natürlich gibt es dafür auch eine Medaille ―und lass dich von der Landschaft überwältigen, die sich vor dir ausdehnt. Es ist nicht das tiefsinnigste Game seiner Art, das du je spielen wirst, aber es hat sicherlich eine der ausgedehntesten Spielwelten. Seine Kleinstädte und auch die Wolkenkratzerstädte erinnern an Regionen rund um das Mittelmeer, die ich schon mal bereist habe. Umgebung und Atmosphäre sind in diesem Spiel wirklich hervorragend umgesetzt.

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In jeder Stunde Just Cause 3 war ich für circa fünf bis zehn Minuten vollkommen elektrisiert und hatte erstaunlichen Spaß. Ich musste sogar laut auflachen, das ist mir seit den Glitches in Assassin's Creed nicht mehr passiert. Ich habe mich hemmungslos über die gebotenen Absurditäten amüsiert. Ich wollte mehr, mehr, es folgte zwar ein Kick auf den anderen―ich habe einen Gebäudekomplex des Feindes zerstört, indem ich einen Jet in die Anlage hab crashen lassen; ich habe einen Gasbehälter und einen Soldaten, den ich zuvor an dessen Hülle geheftet habe, mit einem einzigen Schuss in die Wandung himmelwärts geschickt; ich habe die Reichweite meiner Wingsuitflüge auf mehrere Kilometer am Stück ausgedehnt und gierig die atemberaubendsten Aussichten der Spielwelt eingesaugt―und doch war ich am Ende enttäuscht.

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Auf der Xbox One kommt es manchmal vor, dass die Framerate das Spiel verlangsamt. Das führt zwar nicht zum Spielabbruch, ist aber unglaublich nervig. Normalerweise beschwere ich mich nicht über technische Details, aber das Bildruckeln stört in hektischen Kampfsituationen. Das Bild ist ein paar Mal eingefroren, der Bildschirm war gesperrt und das Problem ließ sich nur über ein Reset meiner Konsole lösen. Zivilistensiedlungen zu befreien, kann zur lästigen Routine werden―die Anforderungen, um eine rote Region blau zu kriegen, von Ort zu Ort, aber es geht jedes Mal nur darum, Punkte auf einer Checkliste abzuhaken und ein möglichst großes Gemetzel anzurichten, bis die Rebellen die Oberhand gewinnen. Dieser unangenehme Konflikt zieht sich durch das gesamte Spielerlebnis.

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Eigentlich soll Rico seine Heimat und ihre Einwohner befreien, doch die Kollateralschäden sind erheblich, und das skrupellose Abschlachten Tausender Soldaten aus Di Ravellos Armee ist ein krasser Widerspruch zwischen dem Game an sich (spielen) und dem größeren (narrativen) Ganzen. Sicher sind doch einige der Soldaten, oder die meisten von ihnen, auch Einwohner dieses Landes? Vermutlich arbeiten viele von ihnen nur aus Angst vor dem, was ihnen sonst widerfahren könnte, für Di Ravello―Versagen kostet normalerweise das Leben. Läge Rico wirklich etwas an Medici, wäre die Zahl der Opfer in der zehnten Spielstunde nicht mal halb so hoch.

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Aber das Spiel wegen der Story zu spielen, ist sicher eh der falsche Ansatz und obwohl mir einige Aspekte des Games zuwider sind, kehre ich trotzdem immer wieder zu Just Cause 3 zurück. Ich spiele ein, zwei Stunden, schreie ein paar Obszönitäten in Richtung Bildschirm und schalte ab. Aber nur, um kurz darauf wieder einzuschalten. Ich weiß, wie ich zu den fünf Minuten erstaunlicher Kicks, zu den Stunts, den Flammen, den umherfliegenden Leichen komme―diese Zeitspanne auszudehnen ist das Problem, denn das Spiel tut wirklich alles, um aus einem gigantischen Spaß ein total wirres Chaos zu machen. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, die Fahrzeuge zu modifizieren, neue Waffen freizuspielen (sie werden von den Rebellen quasi in Geschenkpapier eingewickelt abgeworfen), und jede Menge kleiner Nebenmissionen, die zu erfüllen sind―längste Flugdauer, höchster mit dem Gleitfallschirm erreichter Punkt, die längste Serie ununterbrochen aufeinander folgender Kopfschüsse und so weiter―aber diese separaten Systeme fügen sich eigentlich nie zu einem lohnenswerten Gameplay zusammen. Wäre das hier ein zweistündiger Actionfilm, würde er mit ein paar atemberaubenden Szenen inmitten einer Kakofonie langweiliger Versatzstücke und jeder Menge überdramatisierter Szenen aufwarten. Ich hol mir meinen Kick, lass mich wieder enttäuschen und twitter dann noch mal.

Now swinging between wanting to toss JC3 into the bin, and dry-humping the thing. When it's good, it's very very good.
— mike diver (@MikeDiver) 4. Dezember 2015

But fuck me, when it's bad it's completely rotten.
— mike diver (@MikeDiver) 4. Dezember 2015

Crashed again. Taking that as a sign.
— mike diver (@MikeDiver) 4. Dezember 2015

Just Cause 3 ist ab sofort für Windows, PlayStation 4 und Xbox One (Version getestet) erhältlich. Diese Review wurde durch die Unterstützung von NVIDIA SHIELD möglich. Die NVIDIA SHIELD Library findest du hier.