Menschen

Zwei Privatdetektive erzählen von ihren bizarrsten Fällen

Untreue Ehemänner, faule Mitarbeiter und verlorene Söhne: Die beiden haben wirklich alles erlebt.
Niccolò Carradori
Florence, IT
Ein junger und ein älterer Mann stehen zusammen vor einer Wand mit Bild und blicken in die Kamera, es handelt sich um einen Vater mit seinem Sohn, die beide als Privatdetektive arbeiten; uns haben sie von ihren fünf außergewöhnlichsten Fällen erzählt
Die beiden Privatdetektive | Alle Fotos: bereitgestellt von Mario und Francesco Caliò 

Viele von euch kennen es bestimmt: Ihr habt im Kindesalter ein TKKG-Buch nach dem anderen verschlungen und euch dann selbst aufregende Fälle ausgedacht, um Privatdetektivin oder Privatdetektiv spielen zu können.

In der Realität sieht der Arbeitsalltag von Privatdetektiven aber ganz anders aus, als wir uns das damals vorgestellt haben: Sie geraten nicht ständig in Schießereien, versehen die Telefone anderer Menschen nicht mit Wanzen und halten keine fremden Briefe über einen dampfenden Teekessel, um sie unbemerkt öffnen zu können. 

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Aber was machen Privatdetektive dann den ganzen Tag? Um das herauszufinden, haben wir mit Mario und Francesco Caliò gesprochen, einem italienischen Vater-Sohn-Duo, das in Mailand die Detektei Agenzia Investigativa Europol betreibt.

Gegründet wurde die Detektei im Jahr 1962, seitdem haben die Caliòs schon in den verschiedensten Fällen ermittelt – egal ob bei unternehmerischen Fehltritten oder bei angeblichen Seitensprüngen. Für uns erzählen sie von den fünf Aufträgen, die ihnen besonders im Gedächtnis geblieben sind.


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Geld regiert die Welt

Vor einigen Jahren beauftragte uns eine große Firma, möglicher Industriespionage gegen sie nachzugehen. Jemand versuchte, wertvolle Informationen von unserem Klienten zu klauen, deswegen mussten wir ganz nah an den Chef der Konkurrenz rankommen. Unser Trumpf: Wir wussten, dass er sich mit seinen Kunden immer in einem luxuriösen Hotel in einer piekfeinen Gegend traf.

Unser Klient hatte zudem eine Sache deutlich gemacht: Wenn wir das Vertrauen dieser Kreise gewinnen wollten, müssten wir mit Geld um uns werfen. Die Kosten würde er aber gerne übernehmen, wir sollten am besten immer im Anzug auftreten und für alle sichtbar täglich mindestens 1.000 Euro zu unserem eigenen Vergnügen ausgeben. Also ließen wir uns schweineteure Anzüge schneidern und gaben uns als Broker aus. Wir spendierten den Hotelgästen die ganze Zeit Champagner – auch dem Chef der Konkurrenz, den wir überwachten.

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An diesen Fall denken wir natürlich gerne zurück. Nach ein paar unvergesslichen Tagen voller Zimmerservice, Luxusautos und sehr teuren Abendessen mit so vielen Hotelgästen wie möglich schlossen wir den Fall auch noch erfolgreich ab. Die Anzüge durften wir übrigens behalten.

Der bekiffte Schachmeister

Ende der 70er bekam ich [Mario, Anm. d. Red.] von einer italienischen Familie den Auftrag, ihren Sohn zu finden, der seit einigen Wochen verschwunden war. Meine Nachforschungen ergaben, dass er sich mit ein paar Freunden nach Amsterdam abgesetzt hatte. Damals etablierte sich Amsterdam gerade als Cannabis-Hauptstadt Europas. Ich sollte vor Ort herausbekommen, wie der Sohn dort lebte.

Als ich in Amsterdam ankam, ging ich direkt zum Casa Rosso, was damals der beliebteste Treffpunkt für junge Menschen aus ganz Europa war. Genau unter diese Leute musste ich mich mischen und Infos aus ihnen rausquetschen. An einem Tisch kifften ein paar Leute und spielten Schach. Als passionierter Schachspieler fragte ich, ob jemand gegen mich spielen wolle. Das Problem war nur: Bei den Spielen gingen die ganze Zeit Joints rum, ich hatte aber noch nie in meinem Leben Gras geraucht. Da ich allerdings nicht auffallen wollte, machte ich mit. An diesem Abend gelangen mir außergewöhnliche Spielzüge, die ich seitdem nie wieder hinbekommen habe. Mein Spiel war wohl so beeindruckend, dass sich eine Kifferrunde um meinen Tisch bildete. Einen Abend lang war ich "der Meister".

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Dank meiner vom Gras beflügelten Schachfähigkeiten war das Eis gebrochen und ich konnte die Leute in der Bar zu anderen Italienern in Amsterdam befragen. Wenige Tage später fand ich den abtrünnigen Sohn.

Ein Anzug tragender Mann mit kurzen Haaren und Bart blickt vor einer grünen Wand durch eine Lupe in die Kamera

Francesco Caliò ​in seinem Element

Die Betrüger mit der Stempelkarte

Manchmal kommt es vor, dass ein Unternehmen uns damit beauftragt, gegen die eigenen Angestellten zu ermitteln. Vor mehreren Jahren bat uns ein großer Industrieller, vier seiner Mitarbeiter zu überwachen, weil die Leistung ihrer Abteilung plötzlich weit unter den Durchschnitt gesunken war. 

Wir fanden heraus, dass die Angestellten einen Weg gefunden hatten, das System zum Einstempeln bei Arbeitsbeginn zu manipulieren. Sie nutzten es aus, dass es in einer so großen Firma in diesem Bereich nur wenig Kontrolle gibt, und stempelten sich gegenseitig ihre Zeitkarten, um nicht arbeiten zu müssen. Einer von ihnen hatte sogar eine Bar eröffnet und arbeitete dort, während er eigentlich in der Firma hätte sein müssen.

Die eingebildete Untreue 

Vor einiger Zeit kontaktierte uns eine Frau, die felsenfest davon ausging, ihr Ehemann würde fremdgehen. Sie musste für ihre Arbeit jeden Morgen sehr früh aufstehen und war sich sicher, dass andere Frauen zu ihnen nach Hause kommen würden, sobald sie das Haus verlassen hat. Erwischt hatte sie ihn allerdings noch nie. Das Ganze wirkte für uns wie ein ganz normaler Fall, also begannen wir, den Ehemann zu beschatten. Er verhielt sich allerdings vollkommen normal und tat nichts Auffälliges. Seine Frau wollte uns partout nicht glauben, sie wurde sogar richtig wütend und bombardierte uns mit Anrufen. Irgendwann bestand sie darauf, dass wir einen winzigen Kratzer bei ihnen im Innenhof begutachten, denn das war für sie der Beweis, dass eine der Liebhaberinnen mit einer Leiter in das eheliche Schlafzimmer geklettert war.

Nachdem unsere Ermittlungen auch nach mehreren Wochen keinen Erfolg gebracht hatten, sahen wir uns gezwungen, den Kontakt zu der Frau komplett abzubrechen. Wir hatten einfach genug. Später fanden wir heraus, dass die Ehe wegen der Mutmaßungen der Frau in die Brüche gegangen war. 

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Das neue Angebot

Wir wurden mal wieder von einer argwöhnischen Ehefrau beauftragt, ihren angeblich untreuen Ehemann zu beschatten. Dieses Mal war da aber was dran – und der Typ war richtig gut darin, seine Seitensprünge zu verheimlichen. Uns war klar, dass er eine Affäre hatte, aber er verwischte seine Spuren immer so gut, dass wir ihm erstmal nichts nachweisen konnten. Nach mehreren anstrengenden Wochen schafften wir es aber doch, ihn zu erwischen. Wir präsentierten seiner Frau die Beweise, die wir gesammelt hatten, und sie reichte daraufhin die Scheidung ein.

Dann folgte allerdings die Überraschung: Der Ehemann meldete sich bei uns. Er war so beeindruckt von unserer Arbeit, dass er uns fragte, ob wir für ihn gegen seine jetzige Ex-Frau ermitteln würden. Wir sollten herausfinden, ob sie irgendetwas getan hatte, das ihm bei der Scheidungsvereinbarung vor allem finanziell weiterhelfen würde. Er wollte einfach nicht so viel Geld verlieren. Wir sagten ihm jedoch ab, das ist einfach nicht unsere Art zu arbeiten.

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